Der informierte Leser weiß, dass sich in China seit geraumer Zeit eine kapitalistische Verschwörung breit macht. Wahrscheinlich hat sich die Rückübereignung Hongkongs an China, wie die Implantation eines kapitalistischen Krebsgeschwürs, in den ehemals sozialistisch intakten Organismus der Volksrepublik ausgewirkt. Allenorten greift Misswirtschaft und Sittenverfall um sich und die Errungenschaften der Kulturrevolution drohen über den Deister zu gehen. Man hätte Hongkong seinerzeit, getreu der Leitlinie des chinesischen Politbüros „Es sind jegliche Profit orientierte Aktivitäten verboten“, umfangreich von allen kapitalistischen Umtrieben säubern müssen.
Stattdessen hat man im Gegenteil, und ich will nicht unterstellen bewusst, den Kapitalismus noch gefördert. Dafür lassen sich zahlreiche Belege finden. Der Anflug auf den Hongkonger Flughafen „Kai Tak“ beispielsweise, galt immer als der schwierigste der Welt. Wie sich das gehört: Ein kapitalistischer Moloch wie Hongkong, darf nicht leicht zu erreichen sein; soll doch ruhig ein wenig Todesangst mitfliegen, wenn die Ausbeuterklasse raffgierig und auftragsgeil, auf ihrer kapitalistischen Mission unterwegs ist. Leider hat das Politbüro bereits 1999 „Kai Tak“ geschlossen und ersetzt.
Offensichtlich hat die chinesische Parteiführung, die uns immer Inspiration und Vorbild gewesen ist, so langsam die Problematik erkannt und der drohenden Degeneration zum „Reich der Mittelmäßigkeit“ den Kampf erklärt. Dabei setzt man auf altbewährte Eliten und beginnt in weiser Voraussicht beim chinesischen Militär, so dass notfalls die kapitalistischen Blutsauger mit Waffengewalt vertrieben werden können.
Wichtige Personalie in diesem Zusammenhang ist die Ernennung von Mao Xinyu, Enkels des „großen Steuermanns“ Mao Tsetung, zum General der chinesischen Streitkräfte. Mao Xinyu ist ein Musterbeispiel für den neuen sozialistischen Menschen: Im Alter von 40 Jahren zu so hohen Amt und Würden zu gelangen, kann nur gelingen wenn man sozialistischen Eifer mit den alten Werten verknüpft, die Xinyu zweifelsfrei hochhält: Wie er zitiert wird sei der Maoismus sei keineswegs „überholt“, sondern weiterhin „informativ und von großer Relevanz auch für aktuelle Themen, darunter Militärtheorien und internationale Politik“.
Kürzlich wurde der 61-jährige Chef der nordrhein-westfälischen Linkspartei gefragt, was er sich noch vom Leben wünsche. Seine Antwort war „Meinen nächsten runden Geburtstag noch einmal mit Freunden auf Kuba feiern.“ Auch Genosse Lafontaine lässt auf Kuba gern mal fünfe gerade sein. Sie beide werden Kuba heute mit anderen Augen sehen, denn der sozialistische Musterstaat droht Opfer des Unheil bringenden, kapitalistischen Monstrums des freien Marktes zu werden. Sicher, Kuba hat ein paar Probleme (man munkelt, dass es hier und da auch Zahlungsschwierigkeiten gibt), aber die sind doch wohl eindeutig der Finanzkrise geschuldet, die einzig und allein vom neoliberalen Spekulantenpack hervorgerufen wurde, um das Proletariat weltweit auszubeuten.
Anstatt sich nun sozialistisch korrekt auf seine Opferrolle zu berufen und internationale Hilfe zu fordern, beschreitet Kuba den kapitalistischen Irrweg. Raúl Castro wetterte in seiner Ansprache vor der Nationalversammlung: „Man muss ein für alle Mal mit der Vorstellung aufräumen, dass Kuba das einzige Land auf der Welt ist, in dem man leben kann, ohne zu arbeiten“ und man wolle nun begrenzt privatwirtschaftliche Initiative zulassen. Unter Druck geraten war er auch durch die katholische Zeitschrift „Palabra Nueva“ (Neues Wort), die in einem Leitartikel forderte, dass Kubaner „mehr Entwicklung und mehr Möglichkeiten zur Entwicklung“ bräuchten und „weniger Einschränkungen der Freiheit“. Ich glaub mein Schwein pfeift – seit wann haben Katholiken irgendwas zu melden? Was ist denn da bei Ihnen los, Genosse Castro?
Ein einziger Saustall: Privatwirtschaftliche Initiative – bei diesen Begriffen schüttelt es mich. Kuba ist ein karibisches Insel-Paradies und hat Arbeit nicht nötig. Arbeit wird sowieso stark überbewertet und durch geschicktes wirtschaftliches Taktieren, konnte Kuba Arbeit immer auf ein Minimum reduzieren. So wurde die Kaffeeproduktion von einstmals 60.000 Tonnen auf sozial verträgliche 6.000 Tonnen gesundgeschrumpft. Dies gelang wahrscheinlich durch die Deklaration des Kaffees als „Fairtrade“ und wir Europäer sind diejenigen (proletarische Bewusstseinsbildung zahlt sich aus), die den fairen Kaffee so gerne kaufen. Es könnte also sein, dass wir den kubanischen Sozialismus direkt unterstützen, woraus sich auch ein gewisser Anspruch auf Mitbestimmung ableiten ließe, den wir dann nutzen würden um über den Atlantik zu brüllen: Kuba erwache! Kuba wach auf!
Doch genug der Spekulation. Ein weiteres Merkmal für den drohenden Zerfall Kubas ist die Freilassung von 52 politischen Häftlingen. Dies sei „eine souveräne Entscheidung der kubanischen Regierung“ so Castro. Um so schlimmer! Auf Anfrage hätten wir dem Genossen gern ein paar kreative Vorschläge gemacht, wie er mit seinen Kriminellen verfahren könnte, ohne sie auf den Rest der Welt loszulassen. Das Meer ist groß und direkt vor der Haustür – da kann man schon mal ein bisschen Unrat verklappen.
Aber ich will nicht nur meckern, denn es gibt auch positives aus Kuba zu vermelden. Der Grand-Seigneur des Kommunismus, Fidel Castro hat, stilgerecht im roten Hemd, ein 900 Seiten starkes Buch mit dem Titel „Der strategische Sieg“ vorgestellt. Darin enthalten sind eine Biografie Castros sowie eine Schilderung des Guerilla-Kampfes gegen den kubanischen Diktator Fulgencio Batista. Einen zweiten Band hat er bereits vorangekündigt. Unsere Parteivorsitzende Merkel, kann also schon mal Platz in ihrer Bibliothek machen.
kroraina
August 6, 2010
GenossInnen,
in der Tat muss man die Freilassung von 52 politischen Häftlingen als deutliches Indiz für den drohenden Zerfall Kubas betrachten. So fing der Zerfall auch in der Sowjetunion an, indem man Konterrevolutionäre, Kulaken und sonstige Zionisten in die Klappse weg sperrte, anstatt sie zu liquidieren, oder auch in der DDR nachdem man ein paar gute Ansätze durch das Instrument „Ausbürgerung“ in den 70ern ersetzte. Weder die SU noch die DDR gibt es heute offiziell noch. Daran sieht an schon die Wahrheit und Gültigkeit der marxistischen Grundüberzeugung: Der Sozialismus lebt nur durch die Segnungen der Liquidation!
mit sozialistischen Grüssen
Genosse Vladimir Ilyich Kroraina
rotlichtbestrahlung
August 6, 2010
Der moderne sozialistische Staat trägt die Verantwortung für die Gesundung des internationalen Kollektivs. Schädlinge dürfen nicht auf die Menschheit losgelassen werden. Womöglich noch in Länder, in denen sie ihr konterrevolutionäres Treiben ganz ungehemmt ausleben können.
Иосиф Виссарионович Джугашвили
August 6, 2010
GenossInnen, KomsomolzInnen, KommissarInnen, AktivistInnen und MaulwürfInnen!
Als stünden die Mordbuben der Unterdrücker des Proletariats abermals vor Moskau, als müßte ich erneut auf den letzten Zug nach Sibirien aufspringen, wie damals mit schmerzlich brennenden Rockschößen — so will mir der dekadente Niedergang verbrüderter Schwesterstaaten heute in den Weltfrieden meines Nachtgeschirrs spucken. (Man vergebe meinem Deutsch; aber zweifellos können sich Brüder verschwestern oder umgekehrt, zumal Leibschüsseln sowieso (a) geschlechtslos, (b) als geheimnistragende Staatsangestellte zu absoluter Verschwiegenheit vereidigt sind.)
Es war abzusehen, daß die Leibschüsseln unseres diversanten Exgenossen Gerhard Schröder nicht dichthalten würden, was dem Klassenfeind die mangelhafte Qualtität chinesischer Keramik als propagandistischen Scoop in den Rachen schob; kein Wunder, daß der Westen so unablässig hustet. (Für meine Freunde aus dem Bolschewiki-Altreich, die der Weltsprache der Kapitalisten weniger mächtig sind als ich, aber ich durfte von Churchill und Roosevelt die wichtigsten Vokabeln lernen: Scoop ist der Kehricht, den der klassenbewußte Journalist aus revolutionären Hundehaufen am Straßenrand gewinnt und zu volksbildenden Belehrungen verdichtet. (Die Geruchsbelastung ist in diesem Produktionsprozeß zu vernachlässigen, da (a) linientreu erzogene Hunde CO2-neutral flatulieren und (b) sowjetische Journalisten ausnahmslos Kettenraucher sind, was ihren Geruchssinn schon im Säuglingsalter erstickt hat; nicht einmal die eigenen wohlgefüllten Windeln wurden olfaktorisch wahrgenommen.
Zurück zu unserem Exgenossen Gerhard Schröder, der nun, seine proletarische Herkunft mit Gucci-Knobelbechern tretend, an den Tischen der Reichen und delikat Ernährten tafelt.
Seine mit grobschlächtigem Lächeln zur Schau getragenen Cohibas sind es, die unseren Bruderstaat Cuba und dessen liebevoll und gütig herrschenden Genossen Fidel Castro in der Weltmeinung nach unten drücken. Denn nicht einmal der Genosse Castro kann es sich noch leisten, seine Zahnlücken mit einer Cohiba zu bemänteln.
Diese flagrant mangelnde Solidarität jener auf der
unfruchtbaren Scholle unseresmagersüchtigenselbstlosen Sozialismus zu beleibten Millionären gediehenen Exgenossen ist es auch, die den drei oder vier überlebenden Bastionen unserer politischen Überzeugung in den Augen der Weltmeinung den Ruch von Armenhäusern verleiht.Cohiba gegen Machorka, Gucci gegen Gummistiefel, Roederer Brut gegen schwarzgebrannten Fusel … Das ist der zweite Große Vaterländische Krieg, den wir nur mit unserem revolutionären Herzblut auszufechten haben.
Wie beim ersten Mal scheint unser heldenhafter Widerstand gegen die finsteren Mächte des Großkapitals und abtrünniger Genossen aussichtslos. Doch auch diesmal werden wir obsiegen.
Venceremos!