
In Zeiten „politisch“ knapper Devisen – die dem Sieg des Sozialismus in der EUdSSR und der Errichtung des organischen Volks-Staat unter tatkräftiger Führung der Gruppe „Leipziger Einerlei Kritiken“ und ihrer pangermanischen Bewegung „Erich-Fried“ vorausgehen – ist es auch für die bernsteinfarbene alte Tante, die deutsche Sozialdemokratie, zunehmend schwieriger geworden, sich im K(r)ampf um die gesellschaftliche Führungsposition in der „Kampagnendemokratie“ zu „profilieren“.
Um sich im selben Angang also nicht bloß als die besser „Bionade“, sondern auch noch als die bessere „afri cola“ zu inszenieren, als eine Art andauernde „politische“ Spaß-Brause zwischen Grünen und Piraten, welche die Herzen von Berufteenager_innen jederlei Alters und jedweden Geschlechts höher, schneller, weiter schlagen lässt, ist auch bei der SPD zunehmend knappes, „politisches“ Talent gefragt.
Ebenso schwierig wie notwenig wird dieser Spagat anscheinend dort, wo die SPD wie am Hofe des Sonnenkönigs, aufgeklärt und volksbewusst, stimmungsvoll und urgemütlich, anz und gar allein regiert. So und nicht anders ist es am Sitz der Hamburger Bürgerschaft der Fall, seit Olaf Scholz (SPD) an den Urnen bewies, wie man die Antwort auf Louis XIV und Napoléon zugleich sein kann.
Nun ist es aber so, dass „Politik“ vom Dissens lebt, oder wenigstenstens von dessen Inszenierung, und es ist nach der letzten Wahl in Hamburg so sterbenslangweilig geworden, wie es selbst in der gefühlten Ewigkeit mit Ole dort nicht sterbenslangweilig war; noch sterbenslangweiliger könnte Lokalpolitik selbst in Wiesbaden oder Baden-Baden kaum sein.
Indes weiß man auch in der Fraktion der Bernstein-Demokraten, dass nach der Wahl immer schon vor der Wahl ist, und dass man sich bei der nächsten Hamburg-Wahl auf vieles, aber nicht auf die eine Stimme Mehrheit verlassen kann, mit der man am hamburgischen Schicksalsfluss, der Alster, heuer das Zepter schwingt.
Deshalb – scheint es – fühlen sich alle Senatsbehörden zum großen internen Ideenwettbewerb aufgefordert , und die vermutete erste Preisträgerin hat jetzt ihren Vorschlag präsentiert: „Minding and bridging the gap between the Bionade- und the Afri-Cola–Generation“.
Zu Deutsch: Wie man das Beste aus Grünen und Piraten macht – und nebenbei auch noch jede Menge Spaß mit den Wähler_innen haben kann, unter Aufrechterhaltung des sozialdemokratischen Anspruchs! Nur welcher ist das? Ach ganz egal, denn auch eine Senatorin kann eine Brücke sein – und nicht etwa nur ein Lied!
Die Senatorin hat sich – in feinem hanseatischem Gespür für die wirklich wichtigen Themen – den Zirkus Krone vorgenommen. Dessen Tiere sind einem strengen, quasi monarchistischen Regiment (nomen omen est!) ausgesetzt und bedürfen nicht zuletzt deshalb dringend der „politischen“ Intervention vom parlamentarischen Arm der autonomen Tierrechte-Befreier.
Letztere verfügen in Hamburg über eine auf das üppigste entfaltete Unterstützer_innenszene; es heißt , das „links-politisch“ eher unterentwickelte Elb-Turin bräuchte beim Spezialthema „Tierrechte“ sogar nicht einmal den Vergleich mit der deutschen Hauptstadt zu scheuen.
Die lokale Bewegung der nationalen Autonomie erfüllt die tan, die „tierrechts aktion nord“, mit Stolz. Dennoch stellt die Intervention der Senatorin keine Nachricht dar, wegen der in der B5 bereits die national-bolschewistischen Krim-Sekt-Korken knallen der Thekenschwamm rülpst; und die Sentasverwaltung kann nicht mal behaupten, dass sie nicht wüsste, um wessen Sturmlokal Stammlokal es sich dabei handelt.
Bei dieser B5 handelt es sich nämlich um dasselbe Lokal, dessen Klientel vor zwei Jahren die Aufführung des Claude-Lanzman-Filmes „Warum Israel“ eines „zionistischen“ Propagandastreifens im Stil von Leni Riefenstahl durch die Errichtung eines „Check-Points“ zu verhindern wusste; übrigens ohne, dass sich an den Be- und Empfindlichkeiten der lokalen „Szene“ seitdem viel geändert hätte.
Die eingangs erwähnte Senatorin und mit ihr die Freie und Hansestadt hat sich nun an die Spitze dieser gesellschaftlich progressiven Bewegung zur Durchsetzung mehr proletarischer und antiimperialistischer, antikapitalistischer Bewuwsstseinsinhalte gestellt und fordert: Nehmt dem Krone die Zirkustiere weg (und jetzt alle, auch die Senatorin!).
Ihr ideologisches Unterfutter findet diese „politische“ Forderung im Tierrechte-Milieu (vor allem Peta e.V.), wo viel vom „Holocaust an Tieren“ gefaselt wird, ansonsten aber zweckdienlich die Klappe gehalten wird, wenn es „antizionistisch“ wird.
Ein wesentlicher Bewusstseinsinhalt dieses „e.V.“ lautet eben nicht umsonst : „Natürlich mögen wir Juden – aber Tiere mögen wir eben lieber“ (man höre hierzu bitte Jan Gerbers ausgezeichneten neokonservativen Vortrag, „Who killed Bambi – über das regressive Bedürfnis der Tierrechte-Szene“, auf Youtube).
Tiere sind eben doch die besseren Menschen. Das ist genau die Stelle, an der sich eine mögliche Querfront von Ökologie und Neonazismus ganz zwanglos aufdrängt, und vielleicht – nur vielleicht – auch die Stelle, an der die Hamburger Senatorin sich gerne „politisch“ verorten möchte: in den sicheren Niederungen des „politischen“ Bauchgefühls.
Selbst wenn die Zeit noch nicht ganz reif erscheint, in dem Veganertum eine „politische“ Mainstream-Meinung darstellen könnte, hätte die Senatorin gar nicht weit genug ausholen können, wenn sie der gesellschaftlichen Zukunft vorausgreifen wollte, im unterstellten internen Ideen-Wettbewerb der hanseatischen Senatsbehörden.
Wir vom Autor_innenkollektiv Hilde Benjamin sind dennoch im Zweifel, ob Tierrechte nun besser etwas für die Tierrechte-Szene bleiben sollten, oder ob wir nicht viel eher fordern würden, die Tiere von ihren „Befreier_innen“ zu befreien.
In jedem Fall jedoch erscheint es uns als fragwürdig, dass das „politische“ Establishment – und etablierter als die hanseatische Sozialdemokratie geht’s kaum noch – sich so mir nichts, dir nichts die Bewusstseinsinhalte von progressiven „politischen“ Basis-Gruppen aneignet; zumindest nicht, ohne dafür einen „politischen“ Preis zu bezahlen.
Schwierige Zeiten sind es aber nicht nur, wenn man/frau eine „politische“ Karriere bei der deutschen Bernstein-Fraktion machen will, sondern auch, wenn man ein Zirkuselefant ist, den die Senatorin auf einen Arbeitsmarkt entlassen möchte, auf dem er ohne Zirkus praktisch chancenlos ist.
Über die Vorstellungen der Senatorin bezüglich des Abendprogramms des ersten gendergerechten, biologisch abbaubaren und veganen (!!!) Hamburger Volks-und-Tierrechte-Zirkus ist wenig bekannt; ein Pilotprojekt mit dem Wolpertinger Sport- und Freizeitclub e.V zur Ersetzung wilder Tiere durch „politisch“ akzeptable Ersatzlebewesen verläuft angeblich vielversprechend (s.o.).
Wir vom Autor_innenkollektiv Hilde Benjamin schlagen folgende Höhepunkte vor: Kronkorken-Werfen auf einem Bein, Volksdorfer Massen-Murmeln, Seilspringen mit verbundenen Augen (Seil ohne Tierhaar!), Laubsägerabeiten für groß und klein, Gestalten auf Basis von Lehm und Ton (ohne Würmer und Kleinstlebewesen). Und zum festlichen Finale erzählt die Senatorin einen nicht nur „politischen“, sondern sogar „tierpolitischen“ Witz. Oder sie macht ein bisschen vegane Stand-up-Comedy und alle müssen lachen – ob sie wollen oder nicht.
Aus Sicht von Leuten, die es sagen können, gibt Zirkus Krone zwar vor, viel eher eine Tierpension mit angeschlossenem Show-Betrieb als eine Manege zu betreiben, aber die Hamburger Tierechte-Szene lässt sich nicht im mindesten aus ihrer Faktenresistenz befreien von diesen Wall Street Büffeln, äh Bütteln nicht in die Irre führen, denn die „politische“ Existenz ist für sie und ihre Groupies viel bequemer, wenn das Brett vorm Kopf die Weltanschauung ersetzt nur so, wie sie es „weiß“, ist es auch vom marxistischen Klassenstandpunkt richtig.
Zudem sorgen die kapitalistischen Ausbeutungsverhältnisse, namentlich Freunde der Country-Musik, Cowboy-Spielfilmhelden und andere „Zionisten“, dafür, dass es sich bei den Kämpfer_innen für das Tierwohl oft um Leute handelt, die bei ihrer eigenen Unterbringung die Mindeststandards für Zirkus- und andere Tiere hinsichtlich Heizung, Hygiene und Ernährung noch bei weitem unterschreiten müssen.
Trotzdem will die Vorhut der veganen Bewusstseinsbildung aber – bevor sie für sich selber sorgt! – zunächst einmal die unter dem Kapitalismus leidenden Kreaturen retten; nur die niedlichen, versteht sich, denn „hässliche“ Tiere haben in der pangermanischen Spektakel-Republik „Kampagnendemokratie“ bekanntlich keine Chance, und von irgendwelchen Spenden muss so ein Tierrechteverein schließlich leben.
Was den konkreten Vorwurf anbelangt, der von der irrlichternden tierrechtelnden Hamburger Senatorin erhoben wird, heißt es, die Tiere erkrankten im Zirkus an Arthrose, Rheuma und Herz-Kreislaufbeschwerden – vor allem aber am Stumpfsinn.
Also an nichts anderem, als den üblichen Alters- bzw. Zivilisationskrankheiten, die auch dem Menschen der Verzicht auf das Leben in der freien Wildbahn eingetragen hat; zusammen mit einer im Vergleich zur Wildform doppelt so hohen durchschnittlichen Lebenserwartung. Can’t have the cake and eat it, würde der Engländer an dieser Stelle sagen; klassischer Zielkonflikt.
Aber weil man diese Wahrheit einer „politischen“ Klientel mit fünfzig Beitriebsjahren Beitragsjahren bei der Bundesrentenversicherung nicht zumuten kann, dass es sich nämlich mit ihrer Arthrose und Demenz nicht anders verhält, als mit den Leiden eines Zirkustieres, muss eben die potenziell folgenschwere Ansicht, der Mensch sei unter den real-existierenden gesellschaftlichen Zuständen nur eine Zirkusnummer, so gut es geht aus dem Bewusstsein verschwinden.
Indem zunächst einmal die Tiere aus dem Zirkus verschwinden. Aber damit verrät diese revisionistische Hamburger Senatorin die politische Avant-Garde in diesem unseremLand! Denn so bringt sie die geknechtete kapitalistische Kreatur darum, sich im Leiden der Zirkustiere wierderzuerkennen und sich mit ihrem „politischen“ Kampf gegen die Besatzung zu solidarisieren und Widerstand zu leisten, natürlich nur den „legitimen“.
Was hingegen passiert, wenn sich herumzusprechen beginnt, welchen existenziellen Gefahren die lieben Tiere in freier Wildbahn ausgesetzt sind, und dass die Lebenserwartung einer „frei“ lebenden Hauskatze nicht einmal ein Viertel ihrer domestizierten „Knast“-Variante erreicht, geht unter in der Forderung nach „mehr natürlicher Natur“.
Oder, in den Worten eines mir persönlich bekannten Tierrechte-Apostels: „Lieber ein kurzes, wildes Lebens als ein langsames Siechtum“. Wir von Autor_innenkollektiv Hilde Benjamin beglückwünschen diese Genoss_innen zu ihrer proletarischen Bewusstseinsbildung und wünschen ihnen, dass sie ihr Leben allzeit an ihren radikalen Ansprüchen auszurichten verstehen!
Feliks Dzershinski
Oktober 7, 2011
Koennte man diese Ersetzung nicht auch in der Regierung vornehmen? Nach dem Motto „Tiere statt Mauerpflaenzchen“ z.B.? Nicht umsonst heisst es im Sozialismus ja auch MAUSoleum (aehnliche Begriffsbildung wie „snake oil“).
steinzeitmarxist
Oktober 8, 2011
Werter Genosse Dzershinski,
ich denke, der oben gezeigte erschütternde Bildbeleg bezeugt, dass Kinder die bessern Tiere sind – und wie wir wissen, sind Tiere die bessern Menschen. Ergo sind Kinder die besseren Menschen.
Was dem Rio Reiser (?) von „Kinder an die Macht!“ eine späte Genugtuun sein muss.
hessenhenker
November 7, 2011
Oh mein Gott!
Ich brauche doch eine Brille.
Nie hab ich bisher in diesen Artikel reingeschaut, weil mir die Überschrift zu blöde war: „Hamburger Senat läßt tiefergelegten Zirkus entwickeln“.
Ich dachte dabei an einen Zirkus in der U-Bahn oder sowas.
„Tiergerecht“, das Wort heißt ja tiergerecht.
Ihr solltet die Buchstaben größer machen, so wie in der Buchstabensuppe oder diesem brauen Zeug von Bahlsen.
Feliks Dzerzhinsky
Oktober 23, 2014
Buchstaben grösser geht nicht, Genosse:der Platz ist begrenzt und der Klassenfeind könnte mitlesen.