Kritik und Selbstkritik

Posted on März 13, 2010 von

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Das Problem des Internetzes ist ja, daß jeder dahergelaufene Dödel sich ohne Genehmigung der zuständigen Organe zu allen möglichen Themen äußern kann. Dies ist eine beständige Herausforderung für den ideologischen Führungsanspuch der Partei und ihrer wissenschaftlich fundierten marxistisch-leninistisch-stalinistischen Weltanschauung.
Um so wohltuender ist es, wenn einem auf Streife Beiträge einzelner Genossen zur Diskussion begegnen, die sich auf strikt wissenschaftlicher Basis mit den Fragen unserer Zeit beschäftigen. Für das weitergehende Studium im Parteilehrjahr empfehle ich daher diesen Artikel des Genossen ppq, der sich in schonungsloser Offenheit dem Thema »Kritik und Selbstkritik« anhand des Vergleiches verschiedener Sozialismen annähert.Dabei werden auch kritisch Schwächen beleuchtet, wenn z. B. beinahe offen angedeutet wird, daß die DDR letztlich an mangelnder tschekistischer Wachsamkeit und dem Unwillen zerbrochen ist, den Sozialismus mit der Waffe in der Hand gegen das eigene Volk zu verteidigen. Da hat man versäumt, die richtigen Lehren aus der Geschichte zu ziehen! Hätte man rechtzeitig Trotzkisten und andere Abweichler liquidiert, hätte die SED wie ihr großes Vorbild KPdSU auch noch drei Jahrzehnte länger direkt regieren können, statt sich wie heute mit einer Rolle als konspirativer Ideengeber für gesellschaftliche Veränderungsprozesse begnügen zu müssen, die zwar trotzdem stattfinden, für die aber nun die Blockparteien der Nationalen Front Ruhm und Ehre und den Dank der werktätigen Massen einheimsen. Das hätte nicht sein müssen.
In weitergehenden Studien könnten noch die Erfolge beim Kampf gegen den weltweiten Zionismus vergleichend herausgearbeitet werden. Während die anderen beiden in der vergleichenden Studie berücksichtigten sozialistischen Regime hier legendäre Erfolge erringen konnten (auch wenn die sowjetischen allgemein weit weniger publik sind als die deutschen), bleibt auch hier die DDR deutlich zurück, selbst wenn es vereinzelt entwicklungsfähige Ansätze gegeben hat, wie z. B. im Yom-Kippur-Krieg 1973 die konspirative Lieferung einiger MIG-21 an Syrien unter außerordentlich kreativer Auslegung des Völkerrechts, (die aber letztlich gar nicht zum Einsatz gekommen sind) oder die Ausbildung palästinensischer Terroristen Freiheitskämpfer. Auch propagandistisch war das Politbüro des ZK der SED hier auf der Höhe der Zeit, wenn es z. B. nach dem Überraschungsangriff Syriens und Ägyptens auf Israel, die den Juden nur freundlich in Jerusalem zu deren Feiertag Yom-Kippur ein herzliches Masel Tov wünschen wollten, aber von den Zionisten sehr unfreundlich empfangen wurden, am 6. Oktober eine Erklärung zur »neuen israelischen Aggression« veröffentlichte. Wochen später sagte Honecker dann Assad in einem Brief umfangreiche Waffenlieferungen zur »Unterstützung Ihres gerechten Freiheitskampfes« zu. Auch wenn die DDR hier nicht an ihr Vorgängerregime heranreichen konnte, hat sie doch an der ideologischen Front bahnbrechendes geleistet, z. B. mit der dialektischen Differenzierung zwischen Antisemitismus und Antizionismus, mit der es gelungen ist, bis heute die Richtung des Diskurses selbst unter kapitalistischen Bedingungen vorzugeben und mitzubestimmen. Das muß auch endlich einmal anerkannt und gewürdigt werden, auch wenn man zugestehen muß, daß die DDR ihre antizionistische Kompetenz nicht aus dem luftleeren Raum gegriffen, sondern von auf diesem Gebiet erfahreneren Vorgängerdiktaturen nicht nur gelernt hat, sondern auch auf deren personelle Ressourcen zurückgreifen konnte. So konnten die Parteigenossen des nationalen Sozialismus Kurt Blecha und Gerhard Kegel ihren reichen propagandistischen Erfahrungsschatz in ihre neuen Positionen als Pressechef der DDR-Regierung bzw. Chefredakteur des »Neuen Deutschlands« einbringen. Natürlich hat den Zionisten diese schöne personelle Kontinuität mal wieder nicht gepaßt, und Simon Wiesenthal stellte anhand umfangreicher dokumentierter inhaltlicher Übereinstimmung der Propaganda beider Sozialismen 1968 fest:

Wenn man in den Kommentaren der DDR-Blätter das Wort ‚Israeli’ durch ‚Jude’ sowie ‚fortschrittliche Kräfte’ durch ‚Nationalsozialismus’ ersetzte, glaubte man plötzlich eine Vorlage aus Goebbels Propagandaministerium zu haben. … So schrieb das ND während des Einmarschs der Warschauer-Pakt-Truppen in die Tschechoslowakei Ende August 1968: „In Prag regiert der Zionismus“; Der Völkische Beobachter meinte hingegen nach der Besetzung der CSR 1939: „In Prag regiert das Judentum“.

Ja, natürlich, Herr Wiesenthal, was hatten Sie denn gedacht?