Nachdem fortschrittliche Genossen schon nach Vorschlägen suchen, Straßen der Hilde-Benjamin-Stadt Bernburg nach Revolutionären zu benennen, will ich mich der Forderung des Genossen Gorki nach einem Denkmal für Pawel Trofimowitsch Morosow anschließen und ihm mit diesem Artikel gleich ein solches setzen.
Der fünfzehnjährige Morosow wurde im September 1932 tot in einem westsibirischen Wald aufgefunden. Im kriminalistschen bzw. historischen Sinne sind die Umstände seines Todes bis heute nicht geklärt, um so wichtiger ist es, von solchen bürgerlichen Kategorien wegzusehen und sich die offizielle sowjetische Version seines Martyriums zu vergegenwärtigen.
Morosow hatte in vorbildlicher Weise verinnerlicht, daß die Loyalität eines Sowjetmenschen nicht seiner Familie gilt, sondern der Sowjetunion. Also zeigte er seinen Vater an, der zwar Vorsitzender des Dorfsowjets war und als »fleißiger und nüchtern denkender Bauer« beschrieben wird, der »im Bürgerkrieg als Soldat der Roten Armee zweimal verwundet« wurde, aber eben auch ein Patriarch und Kulak war. Entweder hatte er Getreide versteckt oder falsche Papiere an andere Kulaken verkauft, die in die umliegenden »Sondersiedlungen« verbannt waren. Was auch immer, dat tut ja nix zur Sache: Er wurde deportiert und erschossen. Sein Vater war nicht der einzige Dorfbewohner, der von Pawlik denunziert wurde.
Einige Familienmitglieder wurden schließlich wegen Pawels Tod verurteilt und erschossen, nachdem Briefe und Telegramme aus dem ganzen Land sie in einem beispielhaften Akt sozialistischer Rechtspflege schuldig gesprochen hatten, und dieser wurde fortan zu einer wahren Ikone sozialistischer Propaganda. Nachdem Gorki herausgestellt hatte, daß Morosow »verstanden habe, daß auch ein Blutsverwandter ein Feind des Geistes sein kann und daß eine solche Person nicht verschont werden darf«, hagelte es Morosow-Erzählungen, -Filme, -Gedichte, -Dramen, -Biographien und -Lieder, die ihn als mustergültigen Pionier beschrieben, (wiewohl bürgerliche Kleingeister darauf hinweisen, daß es zu dieser Zeit in diesem sibirischen Kaff gar keine Pionierorganisation gegeben habe und Morosow, ein »schlechter Schüler und Unruhestifter«, von seiner eifersüchtigen Mutter zur Anzeige angestachelt wurde).
Aber was kann Kritik in der Sache schon einer sozialistischen Ikone anhaben? Der Morosow-Kult lief auf Hochtouren und Millionen Kinder durften lernen, daß ihre Loyalität Väterchen Staat zu gelten hatte und nicht irgendwelchen biologischen Vätern. Ein Pionier namens Sorokin erwischte seinen Vater beim Diebstahl von Kolchos-Getreide und ließ ihn von der Miliz verhaften, der Schüler Serjosha Fadejew erzählte dem Schuldirektor, wo sein Vater die Kartoffeln versteckt hatte und Pronja Kolibin wurde mit einer Reise in das Pionierlager Artek prämiiert, während seine Mutter auf seine persönliche Anregung hin ins Arbeitslager verreisen durfte. Pioniere forderten andere Kinder auf, Pawlik nachzueifern und ihre Eltern zu denunzieren, von einem Pionier wurde dies ohnehin erwartet. Schließlich schrieb eine sowjetische Zeitung, daß solche Pioniere als verdächtig zu behandeln und wegen mangelnder Wachsamkeit anzuzeigen seien, die keine Berichte über ihre Familien lieferten. So war Morosow nicht umsonst gestorben, sondern hatte durch seinen Tod geholfen, der jungen Generation den Geist allumfassender Wachsamkeit zu vermitteln.
Auch in der EUdSSR lebt der Geist Morosows, zum Beispiel in Großbritannien, wo die Kinderschutzbehörde Mitarbeiter von Kindergärten dazu auffordert, rassistische Vorfälle den Behörden anzuzeigen — etwa wenn den kleinen Rassisten fremdartiges Essen nicht schmeckt oder wenn sie Wörter wie »Blackie« oder »Paki« benutzen.
Selbst die fortschrittlichen KräftInnen der Autonomen Sowjetrepublik Germanistan pflegen Morosows Erbe und forçieren die weitere Vergesellschaftung der Erziehung durch Förderung von Kinderkrippen, Kindergärten und Ganztagsschulen, die schließlich die Kernforderung aller sozialistischen Bildungspolitik vorantreiben:
»… Es gilt, die Kinder von dem rohen Einfluß der Familie zu befreien. Wir müssen sie … nationalisieren. Von den ersten Lebenstagen an werden sie unter dem segensreichen Einfluß der Kindergärten und Schulen stehen … Die Mutter zu bewegen, uns, dem Sowjetstaat, das Kind zu überlassen, das soll unsere praktische Aufgabe sein.«
(aus: V. Sensinow, »Die Tragödie der verwahrlosten Kinder Rußlands«, Zürich/Leipzig 1930)
PPQ
April 5, 2010
es wird zeit für eine nicht zu unterschätzende initiative zur wiederbelebung des morosowkults. wie konnte es sein, dass ich davon nie gehört hatte`? was hat man uns noch verschwiegen? ist dies der grund, warum merkel keine kinder hat?
bleibt dran, genossInnen!
harrytisch2009
April 5, 2010
kein wunder, dass das faschistische brd-regime generationen von kindern diesen vorbildlichen jungen sowjetmenschen verschwiegen hat und jetzt die bürgerliche reaktion durch geschichtsfälschung versucht, den genossen pawlik zu diskreditieren und damit auch noch politische leichenschändung zu betreiben.
jetzt werfen sie ihm sogar schon alphabetisierungsdefizite vor! als ob es das ziel eines modernen, fortschrittlichen schulwesens sein müsste, kindern nichtssagende formalqualifikationen wie lesen oder schreiben zu vermitteln. heute würde genosse morosow als schulsprecher die bravo als pflichtlektüre durchsetzen, an seine mitschülerinnen kondome verteilen, darauf achten, dass keine religiösen symbole ins schulgebäude geschmuggelt werden und durch seine wachsamkeit und seine meldedisziplin dazu beitragen, dass illegale homeschoolingzellen ausgeräuchert und die dafür verantwortlichen eltern ihrer gerechten strafe zugeführt werden können.
abschnittsbevollmaechtigter
April 5, 2010
Trotz aller Bestrebungen der Reaktion gibt es aber immer noch wachsame GenossInnen, die patriarchalische Biotope prompt trockenlegen.
harrytisch2009
April 5, 2010
dass es so entschlossene genossinnen gibt wie die rektorin der von dir angesprochenen schule zeigt, dass das opfer des genossen morosow nicht umsonst war!
„von all unseren kameraden, war keiner so lieb und so gut, wie unser genosse pawlik, ein aufrechtes konsomolzenblut…“
abschnittsbevollmaechtigter
April 5, 2010
Bin gerührt von Deinen Versen und kurz davor, Dir die lebenslängliche Ehrenmitgliedschaft im »Zirkel schreibender Arbeiter« anzutragen. Besonders die lyrische Verbindung des genossenschaftlichen »Konsum« und des »Komsomol« ist unübertrefflich. Freundschaft!
Karl Eduard
April 5, 2010
So ist es. Wer uns auf dem Weg in die neue Zukunft nicht folgen will, welche das ist, beschliessen ein Plenum, Günter Grass, Professor Schellnhuber, Petra Pau, Herr Gabriel, Herr Sommer oder wer auch immer gerade moralische Instanz ist, gehört ausgemerzt und kein Pionier darf zu klein sein, um die Eltern, Großeltern oder andere Volksschädlinge der gerechten Strafe zuzuführen.
Nostalgie
April 5, 2010
Bald wird das Problem sich in dialektsichen Manier selbst lösen.
Wir arbeiten ja schon fleißig daran, dass in Patchworkfmilien überhaupt nicht mehr klar ist, wer jetzt eigentlich Vater oder Mutter ist.
Es soll ja schon Fälle geben, wo der offizielle Nachname eines Kindes ein anderer ist, als der der aktuellen Bezieher seines Kindergeldes.
abschnittsbevollmaechtigter
April 5, 2010
Richtig. Und das kann nur ein Anfang sein. In der entwickelten sozialistischen Gesellschaft wird man nicht umhinkönnen, solche Familien routinemäßig einer Sonderüberprüfung zu unterziehen, die eines der folgenden Verdachtsmomente (oder, Marx bewahre, gar mehrere) aufweisen:
• Die Kinder haben den gleichen Namen wie ein Elternteil
• Die Eltern haben den gleichen Namen, der kein Doppelname ist und / oder sind (miteinander!) verheiratet
• Die Eltern (pfui, man kann solchen Schweinkram gar nicht schreiben, ohne rot zu werden) sind unterschiedlichen Geschlechts und / oder haben ihr Geschlecht seit ihrer Geburt nicht geändert
• Das Kind wurde nicht durch IVF bzw andere fortschrittliche Technologien hergestellt
• Das Kind hält sich für einen Jungen oder für ein Mädchen und zeigt entsprechend ein überkommenes kleinbürgerliches Rollenverhalten
• Die Eltern arbeiten selbst für ihren Lebensunterhalt und zahlen Steuern
• Die Kinder nehmen nicht regelmäßig an freiwilligen vor- und außerschulischen gesellschaftlichen Veranstaltungen teil
Das mal nur so aus dem Stegreif und der Erfahrung jahrzehntelanger verantwortungsvoller Abschnittsbevollmächtigtentätigkeit und ohne Anspruch auf Vollständigkeit der Liste.
Elisabeth
April 6, 2010
„Die Kinder nehmen nicht regelmäßig an freiwilligen vor- und außerschulischen gesellschaftlichen Veranstaltungen teil“ –
das ist ein Problem, das auf keinen Fall unterschätzt werden darf. Von meinen reaktionären Eltern in der Weise infiltriert, dass ich der Meinung war, staatlicher Erziehung dürfe nicht der Vorrang vor der Erziehung durch die Eltern gegeben werden, – durfte ich doch weder einen Kindergarten, noch einen Hort besuchen, ich wurde sogar von der Schulsexualerziehung „befreit“ – , entwickelte ich eine tiefe Abneigung gegen staatliche Erziehungseinrichtungen. Ich war dermaßen beeinflusst, dass ich niemals außerhalb der absoluten Pflichtveranstaltungen ein Schulgelände betrat, – später auch oft nicht zu den Pflichtveranstaltungen -, mit der Folge, dass ich zwar die allgemeine Hochschulreife ohne Mühen erreichte, aber die wichtigen Dinge des Lebens an mir vorübergingen.
Auch ansonsten ließ meine Erziehung zu wünschen übrig.
Ich erinnere mich noch gut, dass ich in meiner Naivität einmal meine Mutter fragte, ob ich mir von meinem Taschengeld eine Bravo kaufen dürfte. Da drückte sie mit einen großen Band „Helden und Heilige“ in die Hand, mit der Bemerkung, daran sollte ich mir ein Beispiel nehmen, nicht an den Sauereinen in der Bravo.
Was sollte aus mir denn schon werden? Ich bin ein Opfer meiner Erziehung und leider habe ich viele Fehler an meinen eigenen Kinder wiederholt.
Bluthilde hat mich nun aus dieser Spirale der Verdummung befreit – danke dafür!!
harrytisch2009
April 6, 2010
gern geschehen, liebe genossin! es ist uns jedes mal aufs neue ein innerer pionierappell… 🙂
abschnittsbevollmaechtigter
April 6, 2010
Zumal man sich solcher armen Wesen, die nicht das Glück hatten, in der Arbeiter-und-Bauern-Republik deutscher Nation aufzuwachsen und stattdessen in Kindheit und Jugend dem faschistischen BRD-Mief ausgesetzt waren, bildungspolitisch ganz besonders annehmen muß. Da leisten wir gern Nachhilfe.
netzwerkrecherche
April 6, 2010
@abv
„Patchworkfamilien“ sind das Stichwort:
1. Es sollte nicht nur das Geschlecht der ElterInnenteile frei wählbar sein, sondern auch die Anzahl der ElterInnen – von 1 bis 100 oder mehr sollte alles drin sein.
2. KinderInnen müssen transgender aufwachsen, wobei sie nicht von ElterInnen diskriminiert werden dürfen – sie müssen ab der Retortung (Entkorkung) über ihr Leben selbst und frei entscheiden dürfen.
3. TierInnen sind KinderInnen und ElterInnen gleichzustellen. Auch ein/e KindIn darf die Rolle eines/r HaustierIn übernehmen, und das MeerschweinchIn auch mal die Rolle eines ElterInnenteils.
4. KinderInnen und TierInnen sind in ihrer Sexualität so frei, wie körperlich ausgewachsene TransgenderInnen – Sodomie und Pädophilie sind so wie Homosexualie Zeichen von Freiheit und Fortschritt.
abschnittsbevollmaechtigter
April 6, 2010
Ergänzung zu viertens:
Es gibt ja aus der sozialistischen Rechtspflege schon Beispiele erfolgreicher Untersagung sexueller Beziehungen von Personen unterschiedlicher Rassen. Rechtstheoretisch sollte es also kein Problem sein, darauf aufbauend endlich auch sexuelle Kontakte von Personen unterschiedlichen Geschlechts zu kriminalisieren, wenigstens für die Übergangszeit, in der es noch Personen zuordenbaren Geschlechts gibt.
netzwerkrecherche
April 6, 2010
Rassenschande! Rasselbande! Wenn ich das schon höre! Die Sodomophoben quasseln am Ende noch von Artenschande, nur weil Elke ihren Schäferhund liebt und Hans sein Hausschwein. Und die Pädophoben sollte man auch gleich wegsperren, um dem Faschismus die sexistische Grundlage zu entziehen!
Nostalgie
April 6, 2010
Das Beispiel der reaktionären Indoktrination von Elisabeth hat mich schwer erschüttert.
Ich finde eh diese Bücher sind eine ganz gefährliche Sache.
Ich erinnere an den Film Fahrenheit 451 hier die Kurzbeschreibung
„Francois Truffaut prophezeit in „Fahrenheit 451″ eine Welt, in der kein gedrucktes Wort mehr existiert. Feuerwehreinheiten überwachen Verdächtige, stöbern verbotene Buchbesitzer auf und zerstören jedes bedruckte Papier. Zu einer dieser gehaßten Einheiten gehört auch Montag, der seine Arbeit liebt und seit 5 Jahren nie eine Frage gestellt hat. Da lernt er eines Tages Clarisse kennen, und plötzlich kommt ihm seine Ehefrau Linda, die ihre Tage mit Tabletten- und Fernsehkonsum verbringt, entsetzlich langweilig vor. Heimlich entflieht er dieser kontrollierten Welt und beginnt nachts zu lesen, obgleich er weiß, dass dies tödliche Konsequenzen haben kann…“
Der Film ein Muss für alle Genossen, zeigt er doch, wie selbst treue Genossen vom rechten Weg abgebracht werden können.
harrytisch2009
April 7, 2010
genosse, dieses problem dürfte sich in nächster zeit durch das weitere voranschreiten des aufbaus der sozialistischen gesellschaft von selbst entschärfen.
der trend zum zweitbuch ist zum einen dank der fortschrittlichen bewusstseinsarbeit, die seit den schulreformen der letzten jahrzehnte im vordergrund heimischer pisa-bildungspolitik steht, stetig rückläufig.
zum anderen vermittelt schule heute vermehrt nicht mehr blutleere, elitäre und nur im interesse der kapitalistischen verwertungslogik gelegene formalqualifikationen wie lesen und schreiben, sondern die fähigkeit, einen kritischen standpunkt einzunehmen und die einsicht in die notwendigkeit sozialer und sexueller befreiung.
das enthebt natürlich die partei nicht der verpflichtung, das, was in büchern steht, einer kritischen gesellschaftlichen würdigung und kontrolle zu unterziehen. aber immerhin werden ja zb an schulen heute mit gutem grund nicht mehr faschistische einpeitscher wie eichendorff oder brentano, sondern „kim novak im see genezareth“ und „der fänger im roggen“ zur klassenlektüre erhoben.
Nostalgie
April 7, 2010
Ja das stimmt Genosse.
Dankenswerterweise lesen die Schulkinder ja auch extrem todlangweiliges Zeug wie Kafka und andere traurige und langweilige Lektüre „das Schiff Esperanza“ und „Hexe Gudrun“ damit den lieben Kleinen die Lust am Lesen schon frühzeitig verdorben wird.
crisismaven
April 8, 2010
Genossssen, Genossssinen, darrrf ich aine Klainigkait zurr Geschichte von Genossse Morosow (ein aingerussischdes englisches Worrrt!) baitrragaehn? Als ich in der Moskauer Bibliothek, zwischen dem Verraeter Solschenizyn und dem Helden Mercader sitzend, KGB-Akten zu dem Fall studierte, die mir dank des Mineralsekretaer Gorbatschow erlassenen „Freedom of Desinformation Act“ zugaenglich wurrden, habe ich die wahrre Urrsache fuerr Morrosows Fraitod erforschen kennen: er hat den Weg des heldenhaften Freitodes gewaehlt, als err errfuhr, dass eine sainer minderjaehrigen Bewunderrinen ein Kind von ihm erwartete. Da er messerrrscharrf schloss, dasserr sich als guterr Pionier, aber nun auch Vater, kuenftig selbst anzaigen missde, hat er der GPU diese Schmach erspart, indem err die Sache bei vollem sozialistschen bewusstsain selbst in die Hand nahm! So warr das.