Der mixa-rücktritt ist für das autorInnenkollektiv dr. hilde benjamin ein grund, über ein geschichtliches ereignis zu schreiben, das in der historisch-materialistischen betrachtung von marx und engels erstaunlich wenig berücksichtigt worden ist, obwohl bei diesem ereignis wie bei den ohrfeigen von exbischof mixa vor 30 jahren für jeden, der in der deutung gesellschaftlicher entwicklungen einen solchen scharfsinn wie die wissenschaftlerInnen marx und engels hat, die aktualität und die richtigkeit der marxistischen theorie deutlich wird.
Vor bald 888 jahren, im jahre 1122 n.u.Z. setzte nämlich das wormser konkordat einen vorläufigen schlussstrich unter den investiturstreit. Bei diesem streit ging es darum, ob der papst oder der keiser (wir verachten eine rechtschreibung, die in ihrer reaktionärheit für tron und keiser ausnahmen fordert) bestimmen darf, wer bischof sein soll. Die bedeutung dieses streites für das gesellschaftliche bewusstsein ist natürlich offensichtlich. Die predigten der bischöfe und priester sollten nämlich die machtbasis des einsetzers, also des papstes oder des keisers, sichern, sowohl gegen den anderen machtkonkurrenten–wie es noch heute symptomatisch für den imperialismus ist– wie auch gegen das volk, das durch die indoktrination einer passenden ideologie seitens der priester der ausübung seiner selbsständigen und basisdemokratischen selbstbestimmung unfähig wird.
Bischöfe, die eine fortschrittliche, dialektische theologie hin zur befreiungstheologie, entmy-stifizierung und -thologisierung gepredigt hätten, wären papst und keiser ein dorn im auge. Wer in diesem streit die oberhand behielt, ist für die geknechteten massen unerheblich, weil papst und keiser stützen desselben feudalistischen systems sind, das sie ausbeutet (die geknechteten massen, nicht papst und keiser. Wahrscheinlich sind deswegen marx und engels nicht auf den investiturstreit eingegangen. Übersehen haben sie jedenfalls nichts. So wussten kirche und keiser die gesellschaftliche emanzipation für ihren profit auf jahrhunderte hinauszuschieben.
Erst der grosse frühbürgerliche revolutionär thomas münzer, auf den engels in seinem werk über den bauernkrieg eingeht, hatte hier aufklärung und bewegung in die geschichte gebracht. Er hatte durchschaut, dass es gar nicht um theologie oder gott geht (den gibt es schliesslich nicht, obwohl so explizit münzer das noch nicht formulieren konnte), sondern nur um gesellschaftliche verhältnisse. Engels schreibt:
„Es ist klar, daß hiermit alle allgemein ausgesprochenen Angriffe auf den Feudalismus, vor allem Angriffe auf die Kirche, alle revolutionären, gesellschaftlichen und politischen Doktrinen zugleich und vorwiegend theologische Ketzereien sein mußten. Damit die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse angetastet werden konnten, mußte ihnen der Heiligenschein abgestreift werden.“
Man kann also die komplizierte kirchengeschichte komplett durch eine marxistische geschichtsauffassung ersetzen.
Heute haben die folgerevolutionen die morschen keiser und könige hinweggefegt und durch eine fortschrittliche, aber noch unvollkommene volksherrschaft ersetzt. Damit ist das ergebnis des wormser konkordats, dass der papst bis heute die bischöfe einsetzen kann, aber zu einem problem geworden. Hätte sich damals der keiser durchgesetzt, könnten die bischöfe heute durch demokratische meinungsbildung in parlamentsdebatten, talkshows oder auf parteitagen, geheimen klausurtagungen, mit argumenten oder skandalenthüllungen, persönlichen diffamierungen, verleumdungen, unterschriftenlisten, demonstrationen, streiks, blockaden, barrikaden, brennenden autos, protestbriefen, terror, kettenbriefen, milzbrandkettenbriefen, an bahngleisen angeketteten aktivistInnen, steuersünderdisketten und hakenkrallen ausgewählt werden. Auf diese weise wäre der soziale frieden gesichert, denn ein bischof, den die kritische öffentlichkeit auf diese weise einsetzt, wird nicht mit erzkonservativem unsinn provozieren.
Das tun aber noch heute viele bischöfe, allen voran exbischof mixa. Dass nur er zurücktritt, ist noch lange nicht genug. Da geben wir genossin claudia roth recht. Durch das ganze bischofskollegium muss eine rücktrittswelle schwappen, die alle antipaläoliberalen (neoliberal wäre ja sozial kalt) und politisch rückschrittlichen bischöfe mitnimmt. Bei den vordergründig „inneren angelegenheiten“ der kirche, durch die sie noch zu zeiten der bürgerlichen verfassungen eine änderung ihrer dogmatischen verkrustungen herausschieben könnte, muss die öffentlichkeit auch ausserhalb der kirche mitreden. Einstellung von priesterinnen, kindererziehung, glaube an geister, exorzismus und gott, tolerierung von alternativen lebensformen: Alles das ist unheimlich politisch. Aber lassen wir es genossen ulrike meinhof selber erklären:
Feliks Dzerzhinsky
April 25, 2010
Wer übrigens diesen 5-Mark-Schein faelschte, war ein Falsch-Muenzer!
Nostalgie
April 25, 2010
Es ist ganz einfach, es muss eine deutsche katholische Kirche geben und der ökumenische Kirchentag muss fordern, dass die Bischöfe nach der Fasson des Gendermainstrams predigen müssen.
Damit wäre alles geritzt.
Elisabeth
April 26, 2010
Als Anrede vor der Predigt würde sich empfehlen:
„Liebe Christen und Christinnen, liebe Mensch und Menschinnen, liebe Jugendliche und Jugendlichinnen, liebe Kinder und Kinderinnen…“
Und außerdem sollte man die Gesangsbücher nochmal überarbeiten. Früher, in meiner Zeit vor bluthilde, war ich doch tatsächlich mit einem Gotteslob konfrontiert, in welchem es hieß: „Lasst und loben, Brüder, loben, Gott den Herrn, der uns erhoben…“ „Brüder“. „Gott“, was soll denn das jetzt? Und dann bei den Lesungen. Und da gab es doch tatsächlich reaktionäre LektorInnen, die bei den Briefen des Apostel mit den Worten „Brüder“ beginnen. Klar, dass ich zu solchen Events nicht mehr gehe. Naja, eigentlich egal. Die Katholen gibt es ja eh bald nicht mehr.