Terror ist nicht gleich Terror.

Posted on Juli 28, 2011 von

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So hat es der Norwegische Botschafter in Israel, seine Exzellenz Genosse Svein Sevje, gelernt und so ist es schließlich auch vom Rassen- äh: vom Klassenstandpunkt richtig. Deshalb plaudert es Genosse Sevje unumwunden aus: Wenngleich Terror nicht schön anzusehen ist, sondern ein schmutziges Geschäft – fast so schmutzig wie seine „Politik“, vielleicht? – so muss er eben manchmal sein – und manchmal nicht.

Ach so.

„Gut“ ist Terror, weiß Genosse Sevje, wenn er gegen Israel geht. Der ist „vernünftig“, denn der ist zu verstehen und zu begründen, vor allem aber zu erklären: Durch die „Besetzung“ der sogenannten West Bank, mit der die Abschaffung des Judenstaates bislang noch erfolgreich verhindert werden konnte – bei so viel Chutzpah muss man doch zum Terroristen werden, dünkt es seine norwegische Exzellenz offenbar, und fest auf dem Boden der wissenschaftlichen Weltanschauung verkündet er im O-Ton:

Palestinians, the ambassador told Maariv, „are doing this because of a defined goal that is related to the Israeli occupation. There are elements of revenge against Israel and hatred of Israel. To this you can add the religious element to their actions.“

„Die Palästinenser“, so der Botschafter zu Ma’ariv, „tun das, weil sie ein bestimmtes Ziel haben, das sich auf die israelische Besetzung bezieht. Es gibt Elemente der Rache an Israel und Hass auf Israel. Dazu können Sie dann noch das religiöse Element zu ihren Handlungen dazutun.“

Svein Sivje also hat verstanden, worum es geht: Um die Unterscheidung zwischen „nachvollziehbarem“, „vernünftigem“ Terror – und dem anderen.

In diesem Fall, im Falle Israels, adelt noch nicht einmal der Zweck, sondern bloß der Anlass die Mittel. Es weiß seine genossenschaftliche Exzellenz, der norwegische Gesandte, denn auch: „Die Palästinenser“ haben „definierte Ziele“, die sich „auf die israelische Besetzung“ beziehen; unter anderem, wenn nicht vor allem, auf die zwischen der West Bank und dem Mittelmeer, denn dank der progressiven palästinensischen Bewusstseinsbildung verirren sich immer weniger Juden Zionsten beispielsweise nach Itamar.

Ferner weiß Genosse Sivje: Sie – namentlich die Projektionsflächen, die bei ihm eventuell die Stelle des gewünschten Eigenen vertreten – wollen Rache und hassen Israel, und sie haben ein Recht dazu, denn ihre Ziele sind „politisch“, das macht sie sakrosankt; so hat es Botschafter Sivje in Israel jedenfalls zu verstehen gegeben, als er sich anschickte, dieses Frontgeschütz des Zionismus, Ma’ariv, von seinem verbrechisch-revanchistischen Kopf auf die progressiv-sozialistischen Füße zu stellen.

Und wenn man sich dann – wie seine genossenschaftliche Exzellenz, der Botschafter, es weiterhin tut – auch noch entschuldigend auf das „religiöse Element“ beruft, muss man einfach einsehen: Die Einwohner_innen des einzigen jüdischen und demokratischen Staates haben es gar nicht anders verdient, als zu „Zielen“ des Terrors zu werden, sie kommen dabei sogar noch viel zu milde weg; dass die Erde eine Scheibe ist, hat Svein Sivje indes nicht behauptet, aber angesichts der von ihm erreichten Höhe der Bewusstseinsbildung ist es ihm vermutlich noch nicht mal schade um die Grünanlagen.

Der andere, der böse Terror ist der, der jetzt Norwegen heimgesucht hat, denn der ist durch nichts zu begründen. Das ist nur zur Hälfte richtig und eben deshalb ganz verkehrt: Terror ist nie zu begründen; die Unterscheidung zwischen „gut“ und „böse“ ist darauf nur mit gesellschaftlich – und individuell – fatalen Folgen anzuwenden.

Denn in Summe gibt es für den norwegischen Botschafter nun also zweierlei Opfer: Die „politisch guten“ Opfer – das sind die unterdrückten Palästinenser, die durch die zionistische Besatzung einfach dazu gezwungen sind, unschöne „Verzweiflungs-“, „Überzeugungs-“ und sonstige Taten zu begehen. Und jene Toten, die sie damit produzieren, die aber eben sein müssen, weil sie dem Fortschritt im Wege stehen und der Mord an ihnen einen „legitimen“, „politischen“ Anlass, einen Grund hat: die israelische Besetzung; womit der norwegische Botschafter denn auch Gewalt als „politischem“ Mittel mehr oder weniger direkt seinen sozialistischen Segen erteilt, auf den seine Gesinnungs- und Volks-Genossen in spe bei der Fatah-Hamas aber im Leben nicht angewiesen sind.

Es gibt also, und darauf laufen Svein Sivjes Gedanken hinaus, Tote, denen das Mitleid gebührt, die betrauert werden dürfen und deren Hinterbliebenen Trost zusteht. Und dann gibt es eben noch die Anderen, die haben ihr Schicksal nicht anders verdient, denn die kommen aus Israel, und denen gebühren Hass und Rache auch über den Tod – wegen der Besetzung, ach so.

Und nun die Tausend-Schekel-Frage: Gehört seine Exzellenz, Genosse Sivje, zu den Menschen die meinen, Antismentismus habe ursächlich etwas mit den Juden, pardon: mit den Zionisten zu tun? Hmmmm…

Noch einmal Svein Sivje:
„We Norwegians consider the occupation to be the cause of the terror against Israel,“ he said. „Those who believe this will not change their mind because of the attack in Oslo.“

“Wir Norweger verstehen die Besatzung als den Grund des Terrors gegen Israel. Wer das glaubt, wird seine Meinung auch nicht ändern wegen dem Anschlag in Oslo.“

Klar, würde sich dieser Judenstaat nicht so zimperlich verhalten, wenn es um seine Existenz geht, hätte das ganze „Problem“ schon längst seiner geordneten Lösung überführt werden können.

Alles nicht ganz logisch, was in Norwegen gerade passiert, aber psychologisch. An anderer Stelle beruft sich der Botschafter dann noch darauf, der Attentäter von Oslo und Utoyah habe eine „Ideologie“ gehabt – und zwar im Gegensatz zu den „Aktivisten“ des sogenannten Widerstandes, die wie gesagt nur „politische Ziele“ hätten. Es ist gerade dies das Ideologische an Botschafter Sivje: Dass der blinde Fleck der gesellschaftlichen Selbstwahrnehmung bei ihm so groß geworden ist, dass er den Baum vor lauter Wald nicht sieht.

Ideologie – also „falsches Bewusstsein“ (Marx) – ist und bleibt vor allem dann besonders virulent, wenn man glaubt, man hätte keine. Dass man glaubt, man hätte keine, ist gerade das Ideologische an der Ideologie, aber auch Mundgeruch und Antisemitismus haben bekanntlich immer nur die anderen, nicht wahr, liebe „Links“-Partei?

Vielleicht liegt es ja doch an den langen, dunklen Winternächten. Wer allerdings heftig einen an der Marmel hat und damit nicht zum Arzt geht, ist trotzdem voll verantwortlich für die Folgen, die das hat. Das gilt vor allem im Hinblick auf die Frage, inwieweit man verrückt und trotzdem strafmündig sein kann; eine Frage, die ja nun vor allem die Gemüter bewegt, die nicht zwei Dinge gleichzeitig denken können – das Allgemeine und das Besondere. Zumindest das sollte irgendwann mal gelernt sein.