Knoblochs gefährliche politische Romantik

Posted on November 25, 2010 von

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Nennt sich eine Publikation „The European“, dann sollte mensch_in eigentlich davon ausgehen, dass deren Verantwortliche damit nicht nur im Sinn hätten, auszudrücken, dass sie zufällig hier und nicht im australischen Outback oder in der Antarktis ihr Frühstücksbrot schmieren, CO2 ausatmen, ihre Notdurft verrichten oder eben auch Zeitungsartikel schreiben. Mensch_in sollte meinen können, es wäre mit diesem Titel auch zumindest ansatzweise ein Bekenntnis zu all dem verbunden, was Europa groß gemacht hat, in den Mittelpunkt der Geschichte treten ließ und was ihm bleibende Macht und Stärke sichert: Nämlich das Bekenntnis zu einem Staatsverständnis, das dem Einzelnen die Last der Entscheidungen von den Schultern nimmt, das die Bedürfnisse der Menschen besser kennt als diese selbst und aktiv Bewusstseinsarbeit betreibt – kurz: das Bekenntnis zum Sozialismus!

Stattdessen fällt immer wieder auf, dass der „European“ genau das Gegenteil europäischer Interessen und Werte vertritt und Persönlichkeiten mit problematischen Auffassungen zu Wort kommen lässt, die sich zwischen einer Apologie des Terrors der Finanzmonopole und dem reaktionären Einpeitschertum regressiver kleinbürgerlicher Kriegshetzer bewegen.

Jüngstes Negativbeispiel: Ein Interview mit der scheidenden Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch. Nicht nur, dass diese zionistische Agitationsplattform regelmäßig mit Hetze gegen die Partei der Arbeiterklasse und jene der kritischen Intelligenz aufhorchen lässt, auch fortschrittliche Sozialist_innen aus national gesinnten Zusammenhängen und aufrechte Antizionist_innen mit Migrationshintergrund beginnen regelmäßig hyperzuventilieren und machen die Macht und den Einfluss dieser Institution für das schlechte Wetter, Störungen des eigenen Wohlbefindens, für die Zunahme von Obstipation, Arschjucken, Hämorriden oder Impfschäden verantwortlich.

Im „European“-Interview bestätigt Frau Knobloch einmal mehr, dass sie nicht fortschrittliche, europäische, sondern nur zionistische Perspektiven im Auge hat, wenn sie sich beispielsweise für „Patriotismus“ und die „Wiederverwurzelung der Menschen in Traditionen“ ausspricht. Beides sind bekanntlich – neben Religion, Privateigentum, Monogamie, Krieg oder Countrymusik – Erfindungen der herrschenden Klasse, die dazu dienen sollen, die Massen an der Entwicklung eines gefestigten Klassenstandpunktes zu hindern und ihnen damit die Möglichkeit vorzuenthalten, auf diese Weise die ausbeuterischen Strukturen der gesellschaftlichen Verhältnisse in Punkto Produktion, Emanzipation, Sexualrepression oder Gendervorurteile kritisch zu hinterfragen.

Wer sich – wie Frau Knobloch – heute über Tore der deutschen Fußballnationalmannschaft der Männer freut, wird morgen schon mit in das Kriegsgeschrei einstimmen, das im Auftrag der Yankees und der zionistischen Hochfinanz gegen Länder und Kulturen wie jene des Iran, der Taliban, des Genossen Chavez, des Genossen Kim, des Genossen Mugabe oder aller anderer fortschrittlichen Kräfte ertönt, die bedingt durch ihre größere Nähe zur matriarchalischen Gesellschaft des Urkommunismus dem spätkapitalistischen Westen moralisch überlegen sind und deshalb zum Schweigen gebracht werden sollen.

„Dieser Zentralrat tritt als diplomatische Vertretung Israels in Deutschland auf und als Sprachrohr der israelischen Botschaft. Etwas mehr kritische Hinterfragung wäre auch in Deutschland wünschenswert." (Evelyn Hecht-Galinski)

Gleichzeitig spricht sie sich gegen alle Versuche aus, kulturelle Konflikte auf friedliche Weise, wie etwa durch die Pflege einer – europäischen und sozialistischen – Verbotskultur gegenüber Erscheinungsformen religiösen Aberglaubens (wie Kopftuch-, Burqa- oder Moscheenverbote), zu lösen. Das allein beweist, dass es ihr nicht um das friedliche Zusammenleben von Kulturen geht, sondern um den Mehrwert der Ausbeuterklasse.

Diese gefährliche politische Romantik weist nicht nur eine Nähe zu reaktionärer deutschtümelnder Demagogie auf, sondern dient auch als Rechtfertigung für die unsäglichen Diffamierungen friedlicher Friedenskämpfer_innen wie in Gaza oder auf der Freedom Flottilla bzw. deren heimischen Unterstützer_innen. Kritik an zionistischer Okkupations- und Apartheidpolitik wird als unsachliches „Israel-Bashing“ abgetan, Enthüllungen fortschrittlicher Journalist_innen und NGOs wären nur „Ereifern in Kritik an jüdischem Staat“.

Dabei hat erst am Wochenende die Partei der kritischen Intelligenz wieder deutlich gemacht, was wirklich Sache ist: Nämlich, dass die israelische Regierung gezielt durch ihre Siedlungspolitik eine Verhandlungslösung blockiert.

Als künftige führende Partei in der Transformation des großdeutschen Spätkapitalismus hat die Partei der kritischen Intelligenz deutlich gemacht, woran es wirklich krankt:

“In zunehmendem Maße werden NGOs aus dem Friedenslager sowie arabisch-stämmige Mitglieder in der Knesset in ihrer Arbeit behindert, und kritische Stimmen sehen sich öffentlichen Einschüchterungskampagnen ausgesetzt. Die Situation der Israelis mit arabischem bzw. palästinensischem Hintergrund hat sich unter der Regierung Netanjahus weiter verschlechtert. [..]

Der Bau der völkerrechtswidrigen Siedlungen wurde intensiviert. Vielfältige Reisebeschränkungen und Bewegungshindernisse schnüren die Bewegungsfreiheit ein und machen eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung unmöglich. [..]

Gewalt und Willkür Israels unterminieren seit Jahrzehnten die Dialog- und Kompromissbereitschaft auf palästinensischer Seite. [..]

Die 1,5 Millionen PalästinenserInnen im Gazastreifen sind faktisch eingesperrt. [..]

Der Bevölkerung, zur Hälfte Kinder und Jugendliche, wird systematisch eine nachhaltige Entwicklung unmöglich gemacht. Die Blockade hat ein Ausmaß an menschlichem Leid hervorgerufen, das die VN als eine ‘Krise der Menschenwürde’ bezeichnen.

Die Blockade des Gazastreifens ist eine Kollektivstrafe und damit völkerrechtswidrig. [..]

Die Isolation stärkt radikale IslamistInnen [!] und schwächt die Arbeit der Vereinten Nationen im Gazastreifen. [..]

Der Gazakrieg Anfang 2009 hat die Ausgangslage für eine friedliche Konfliktregelung weiter verschlechtert.”

So und nicht anders sind die Fakten. Und wenn nicht nur die Partei der Arbeiterklasse und die Partei der kritischen Intelligenz in Deutschland, sondern unter anderem auch die UNO, die EU-Kommission, die kulturelle Elite von Hollywood bis zum Prenzlauer Berg, die fortschrittlichen Medien, die New York Times, die Administration Obama und die „Deutsche Stimme“ der NPD es so sehen, dann muss es ja auch so sein.

Wir können dem Zentralrat im Interesse der Stabilität des Geduldsfadens der fortschrittlichen Kräfte im Lande, die ab 2013 an der Regierung sein werden, nur wärmstens empfehlen, eine konsensfähige Persönlichkeit zur Nachfolgerin von Charlotte Knobloch zu nominieren – eine Persönlichkeit, mit der etwa auch der Genosse Norman Paech, die Genossin Claudia Roth, der Genosse Yavuz Özuguz oder die Kameraden Detlef Nolde, Reinhold Oberlercher usw. leben könnten: Wir hätten dabei konkret etwa an die Genossin Evelyn Hecht-Galinski oder den Genossen Abraham Melzer gedacht.