„Es ist nicht schwer zu begreifen, dass, wenn die Sprache materielle Güter erzeugen könnte, die Schwätzer die reichsten Menschen in der Welt sein würden.“ (J.W.Stalin)
Er war nicht nur unser politischer Lehrmeister, sondern hat uns auch alles über die Kunst des Humors beigebracht. Und selbst dieser war in jeder Situation in seiner politischen Aussage treffend und präzise. Im Kommentarbereich des Mathematik-Beitrages entbrannte eine Debatte, im Zuge derer die wegweisende Funktion des Genossen Koba auch auf dem Gebiet der Sprachwissenschaften offenbar wurde.
Die Kritik von Teilen des Kollektivs an der ursprünglichen konsequenten Kleinschreibung auf dem Bluthilde-Blog verwies auf den genialen Beitrag des revolutionären Führers des Weltproletariats und Klassikers, aber auch Vollenders des Marxismus-Leninismus, den dieser zu Fragen der Sprachwissenschaft verfasst hatte.
Während einige Genossen darauf verwiesen, dass der Genosse Stalin sich im Zuge seiner Analyse nicht explizit zur Frage der Groß- oder Kleinschreibung geäußert hatte, wurde auf der anderen Seite die Auffassung vertreten, der Genosse Stalin würde nicht nur durch den Inhalt, sondern auch durch die Form seiner Mitteilung zu uns sprechen, und deshalb müsse sich jeder, der abweichend davon die konsequente Kleinschreibung pflege, fragen lassen, ob er noch in der Nachfolge des Genossen stehe oder aber trotzkistischem Formalismus huldige.
Nun ist anzumerken, dass der Genosse Stalin nicht in deutscher Sprache zu parlieren pflegte, sondern in russischer, weshalb sich auf Grund der Unterschiedlichkeiten in der Groß- und Kleinschreibung zwischen den beiden Sprachen kein abschließendes Urteil dahingehend ableiten lässt, dass der Genosse, hätte er auf Deutsch geschrieben, nicht auch zumindest jene gemäßigte Form der Kleinschreibung gepflegt hätte, die der russischen Sprache eigen ist (und wie sie der Genosse politbuerokrat pflegt). Außerdem schreiben ja nicht nur die Klassiker des Marxismus-Leninismus ihre wegweisenden Handreichungen, sondern etwa auch Stephenie Meyer, US-imperialistische Countrymusiker, George W. Bush oder evangelikale Prediger ihre unsäglichen Hetzschriften in herrschender Rechtschreibung.
Auch gab es nachweislich zur Zeit der weisen Führung der werktätigen Massen durch den Genossen Stalin Initiativen zur Reform der Groß- und Kleinschreibung, die durch das ZK der Partei gebilligt wurden. Da, wie wir wissen, die Partei immer Recht hat, hatte sie auch zwangsläufig bezüglich der Reformbedürftigkeit der Sprache auf diesem Gebiet Recht.
Allerdings konnte sich die damit beauftragte Kommission zu keiner eindeutigen Regelung entschließen. Die Gruppe des Genossen Schtschelkunoff, Rektor des staatlichen Instituts für die schreibende kritische Intelligenz in den Redaktionen der Qualitätspresse, die mit dem nicht unerheblichen Argument aufwarten konnten, dass nach anfänglicher konsequenter Kleinschreibung im Russischen nur die Namen von Angehörigen der Ausbeuterklasse wie Zaren, höheren Beamten oder „Heiligen“ aus dem Bereich des unwissenschaftlichen Aberglaubens groß geschrieben wurden, gab der Genosse Stalin keine Direktive aus, die konsequente Kleinschreibung in der Sowjetunion einzuführen.
Auf Grund der Weisheit des Genossen und seiner erwiesenen Fähigkeit, diese stets zur richtigen Zeit in der richtigen Weise einzusetzen, hätte man davon ausgehen können, dass er, hätte er die Notwendigkeit hiefür gesehen, den Anregungen des Genossen Schtschelkunoff auch nachgekommen wäre.
In Deutschland gehörte wiederum mit Otl Aicher eine Persönlichkeit zu den führenden Verfechtern der konsequenten Kleinschreibung, die trotz ihrer exponierten Position im öffentlichen Kulturbetrieb immer wieder – obwohl sie Gelegenheit hatten, ihn zu artikulieren – den klaren Klassenstandpunkt gescheut hatten. Da hilft es auch nichts weiter, dass Aicher, der sein Leben am faschistischen Einpeitscher Augustinus ausrichten wollte – die Olympischen Spiele 1972 grafisch-künstlerisch begleitete, die neben der ihnen innewohnenden, begrüßenswerten Huldigung des heidnischen – und damit der matriarchalischen Urgesellschaft näheren – Gedankenguts auch zum Fanal für den Widerstand der GenossInnen aus Palästina gegen die zionistische Okkupationspolitik wurden.
Wie für den Erzreaktionär im Vatikan, der seit nunmehr 5 Jahren das Ruder in der Katholischen Kirche starrsinnig weiter zurück in Richtung Mittelalter bewegt, gilt auch für Aicher das, was Leapingonardo Lanny PBoffo jenem Erstgenannten im Namen aller fortschrittlichen Kräfte bestellen lässt: Er hätte statt Augustinus lieber Marx lesen sollen.
Auch ist aus dem Argument, die herrschende Rechtschreibung trage zu einem autoritären, hierarchischen Bewusstsein bei, da sie eine willkürliche Privilegierung von Großbuchstaben beinhalte, nichts Entscheidendes gewonnen, da auch im Falle konsequenter Kleinschreibung Strukturen der Ungleichheit verfestigt werden: Immerhin führt auch sie nicht dazu, dass beispielsweise die Buchstaben „a“, „c“ oder „e“ gegenüber „b“, „d“ oder „f“ nach oben hin unter-, gleichzeitig gegenüber „g“, „j“ oder „p“ zusätzlich noch nach unten hin vertikal überprivilegiert bleiben, ohne dass ein dialektischer Grund hiefür aus dem Klassenstandpunkt heraus begründet werden könnte.
In Abwägung aller Umstände und unter Ausschöpfung des Interpretationsspielraumes, den die klaren Worte des Genossen Stalin offenlassen, verpflichten sich alle Angehörigen unseres AutorInnenkollektivs, die bisher die konsequente Kleinschreibung gepflegt hatten, von dieser künftig abzugehen…
Elisabeth
April 19, 2010
Man sollte aber auch der konsequenten Rechtschreibung den Kampf ansagen. Schon allein deswegen, weil das Wort „Rechts-“ in Rechtschreibung enthalten ist.
Fritz der Fräser
April 19, 2010
Gratulation! Das war ja wirklich schwer zu lesen.
Ist die sympathische Genossin auf dem Bild zufällig eure Korrespondentin Frau Blaschke?
politbuerokrat
April 19, 2010
Ich dachte, die konsequente kleinschreibung sollte eine würdigung von ronald m. schernikau sein.
harrytisch2009
April 19, 2010
Der ist natürlich auch ein verdienter Genosse gewesen, dessen Schaffen nicht ungewürdigt bleiben sollte. Jeder aufrechte Sozialist muss sich zum Leitspruch machen: „Lieber Ronald M. Schernikau als Ronald B. Schill!“
Aber insgesamt sollte für die Beantwortung der Frage, welche Schreibung auf dem Blog verwendet wird, das relevant sein, was sich aus den Erkenntnissen des Genossen Stalin und der Interpretation seiner Gedanken und Handlungen ableiten lässt.
neglectable
April 19, 2010
oh verdammt, jetzt habe ich mir das gerade erst angewöhnt …
Nein, im Ernst: besten Dank, Genossen. Ich bin zugegebenermaßen überrascht von den Auswirkungen meiner bescheidenen Anmerkung in besagtem Mathematik-Beitrag.
Nun, da wir ein knappes Jahrhundert verkrusteter Strukturen aufgebrochen haben durch diesen kleinen, adaptiv-reformistischen Schritt der sozialistischen Verbrüderung, laßt uns nicht ruhen, sondern in die nächste Schlacht auf dem Weg zum universellen, reformierten Sozialismus ziehen! Laßt uns für die in marktsoziale Planwirtschaft umbenannte sozial-liberale Marktwirtschaft kämpfen! Marktsoziale Wirtschaftler aller Länder vereinigt Euch!
abschnittsbevollmaechtigter
April 19, 2010
Jedenfalls zeigt das ganze, daß das bewährte Prinzip von Kritik und Selbstkritik auch hier im Autorenkollektiv in der revolutionären Theorie und Praxis bestens verankert ist.
Hierzu ist freilich anzumerken, daß die autorisierte deutsche Übersetzung der Stalinwerke, wie sie im Dietz-Verlag erschienen ist, maßgeblich für die Rezeption durch die deutschen Genossen sein muß. Auch in dieser Übersetzung kann die Partei ja nicht geirrt haben. Und selbstverständlich ist auch die Marx-Engels-Gesamtausgabe in Groß- und Kleinschreibung erschienen.
Ich will noch einen Schritt weitergehen: Richtige Schreibung kann sich doch eigentlich nur am Vorbild der Codifizierung durch die obengenannten Klassiker des Marxismus-Leninismus-Stalinismus orientieren. Insofern lehne ich auch die sogenannte Rechtschreibreform ab, die von den Knechten des Monopolkapitals zur Maximierung der Profite der Wörterbuchverlage in irgendwelchen Hinterzimmern ausgekungelt wurde. Zwar ist die Absicht einer allgemeinen Senkung des Sprach- und Bildungsniveaus durch Planierung von Differenzierungsmöglichkeiten des Ausdruckes sehr löblich, aber darf dies denn dazu führen, anders zu schreiben als Marx, Engels, und (in ihren offiziellen Übersetzungen) Lenin und Stalin?
harrytisch2009
April 19, 2010
Allerdings haben sowohl die Partei der Arbeiterklasse als auch der Dietz-Verlag in ihren aktuellen Publikationen die neue Rechtschreibung teilweise schon übernommen.
Im Unterschied zur Situation ab 2000, wo man sich beispielsweise noch mit dem Argument, die Nationalzeitung hätte die neuen Regeln akzeptiert und schreibe nach der neuen Rechtschreibung, davor hätte drücken können, sich die neuen Regeln anzunehmen, hat die normative Kraft des Faktischen mittlerweile auch in fortschrittlichen Kreisen Wirksamkeit entfaltet.
Außerdem weiß ich bald gar nicht mehr, wie die alte überhaupt noch ging… 🙂
Elisabeth
April 19, 2010
Die Senkung des Sprach- und Bildungsniveaus durch Planierung von Differenzierungsmöglichkeiten des Ausdruckes, wie Genosse Abschnittsbevollmächtigter sehr richtig anmerkt, ist nicht nur sehr löblich, sondern nicht mehr aufzuhalten.
Machen wir uns nichts vor. Um die Werke der von Marx, Engels, Lenin und Stalin der breiten Masse näherzubringen, müssen mittelfristig andere Mittel angewandt werden, als das geschriebene Wort. Ich denke hier an die zeitgemäße Umsetzung der Botschaften z.B. in eine ‚Big-Brother -Serie“. Darin stecken ungeahnte Möglichkeiten.
ostseestadion
April 19, 2010
Genossen.
Genoss_Innen.
Werte Mitwerktätig_Innen.
Dies bedeutet doch einen gewaltigen Rückschritt hinweg von unserer erstrebenswerten sozialistischen Gesellschaft der Gleichheit der Individuen_Innen. Nicht nur, dass jedes Wort nicht kleingeschrieben sondern großgeschrieben werden müsste um Adjektive u. Satzenden nicht gegenüber Substantiven u. Satzanfängen zu diskriminieren, nein, Genoss_Innen und Genossen, es müssen zwingend auch alle Worte:
ALS.
SATZANFANG.
GESCHRIEBEN.
WERDEN.
NICHT ?
abschnittsbevollmaechtigter
April 19, 2010
Dann sollte man aber bitte endlich auch von den unterschiedlichen Formen der Buchstaben Abstand nehmen.
Feliks Dzerzhinsky
April 19, 2010
Genosse Ostseestadion, hierzu muesste man nun wieder fragen, ob dies nicht, wie schon im Artikel angesprochen, trotzkistischer Formalismus waere, sondern ob nicht Quantitaet in Qualitaet umschluege und vorherzusehen, was das bedeutete, waere ein Treffen in Sotschi als Studiengruppe bei georgischem Rotwein der einzig geeignete Ort. Wobei ich vor Flugreisen in diese Gebiete derzeit etwas zurueckscheue, aber, was Genosse Lenin recht war, sollte uns billig sein!
Daniel Drungels
April 19, 2010
@ Ostseestadion
Adjektive_Innen u. Satzenden_Innen und Substantiven_Innen u. Satzanfängen_Innen?
Nostalgie
April 19, 2010
Ich finde in den Wohngebieten der Unterpriviligierten bildet sich doch aktuell eine neue deutsche Sprache heraus. Beispiel „Ey alder, lahn, gehn wir disco?“
Anstatt hier den bourgeoisen Kräften auf den Leim zu gehen, sollten wir dafür sorgen nicht den Kontakt zur Sprache der neuen Träger der Weltrevolution zu verlieren.
„Du weisen wo geben billig, billig?“
ostseestadion
April 19, 2010
@ Daniel
Das wäre Verb_Innen und Plusquamperfekt_Innendiskriminierend.
Unser Kampf für eine klassenlose Gesellschaft darf nicht durch georgischen Rotwein gehemmt werden. Die Besserstellung von Buchstaben_Innen gegenüber Hintergründen könnte die Parteiführung bspw. per Dekret zur farblichen Angleichung zwingen.
Links natürlich ausgenommen. 😉
jacobs anarch
April 20, 2010
die antifaschistischen widerstandskämpferinnen aus der raf hatten ihre veröffentlichung aber auch immer in konsequenter kleinschreibung verfasst, um den bruch mit der faschistischen kontinuität zu unterstreichen: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/32/32438/1.html
wollt ihr wirklich das erbe der ermordeten von stammheim und aller in den faschistischen knästen des ausbeutersystems verrottenden genossinnen auf diese weise verschmähen?
Abschnittsbevollmächtigter
April 20, 2010
Wer nicht schreibt wie Stalin, ist ein Trotzkist, Anarchist oder sonstiger Abweichler.
politbuerokrat
April 21, 2010
Ich finde auch, dass eine radikale umorientierung weg von der rechts- hin zur linksschreibung nötig ist. Natürlich ist das am anfang schwieriger zu lesen. Aber wollen wir gefällige unterhaltung machen oder revolutionär aufrütteln? Ich hoffe doch letzters. Denn schon die hamburgische leiterin der abteilung radwegebau sagte, als sich ein bürgerlicher spiesser über unebene radwegepflasterung beschwerte:
„Radfahren kann und soll aufrüttelnd sein, der Radfahrer/die Radfahrerin soll ganz bewußt die zahlreichen möglichen Arten von Boden, Pflaster und Einbauten mit allen Sinnen wahrnehmen können, und es sollen dem Radfahrer/der Radfahrerin alle paar Meter neue Aus- und Einblicke möglich sein. So wird die Entwicklung des Wegebaus von der Frühzeit bis in die Postmoderne unmittelbar erfahrbar und die Gegenwart aus der Geschichte heraus begreifbar. Außerdem gibt es keine anderen Steine in dieser Farbe.“
politbuerokrat
April 21, 2010
Ein kompromiss wäre vielleicht, dass die konsequente kleinschreibung wiedereingeführt wird, aber jemand anderes ein firefox-addon programmiert, das die grossschreibung wieder korrigiert. Für firefox mit binnen-i-begone ist unsere seite ja schon seit langem optimiert.
I♡STALIN
April 24, 2010
Eines ist klar, unser geliebter Genosse STALIN wird GROSS geschrieben!
harrytisch2009
April 24, 2010
So ist es, Genosse. Das wird er in jeder Minute und jedem Herzschlag und wurde er bei uns schon von Anbeginn an, selbst als wir in orthografischer Hinsicht noch teilweise die konsequente Kleinschreibung gepflegt hatten.